Mit Bildern lernen. Eine Bilddidaktik für den Religionsunterricht
Manchmal hat man ein Buch vor sich, das eine/n rundum zufrieden macht. Dieses Buch gehört für mich dazu. Hinter dem bescheiden-sachlichen Titel „Mit Bildern lernen“ von Rita Burrichter und Claudia Gärtner verbirgt sich ein inhaltsreiches, vielseitiges und buntes Lese-, Bilder-, Text und Arbeitsbuch mit einer Fülle von Anregungen zum theologischen Denken, für bilddidaktische Überlegungen, als „Sehhilfe“ für Kunst und auch für die praktische Umsetzung im Unterricht.
In drei Abschnitten geht das Buch Bilddidaktischen und bildtheologischen Grundfragen und Überlegungen zu Lernorten nach. In einem frisch und pointiert formulierten Eingangskapitel werden kurz die wichtigen inhaltlichen Aspekte und Diskussionsfelder benannt. So findet man z.B. auf knapp fünfeinhalb Seiten eine knappe und akzentuierte Darstellung des Bilderverbotes in seiner systematischen und theologiegeschichtlichen Dimension, spannend und kenntnisreich aufbereitet unter der Überschrift „Darf, kann, muss und soll das Unsichtbare sichtbar werden?“ Auch kontroverse Themen wie die Frage, welche Kunst für welches Alter oder welche schulischen Milieus geeignet ist, werden so diskutiert, dass wir Leser und Leserinnen ermutigt werden, eingetretene Pfade zu verlassen und Neues auszuprobieren.
Alle Einzelfragen werden im Folgenden nicht allgemein diskutiert, sondern anhand eines konkreten Bildes mit Impulsen, Hinweisen und Fragestellungen zur unterrichtlichen Praxis erarbeitet. Die Kapitelüberschriften sind teilweise so formuliert, dass sie neugierig machen oder provozieren: „Steffi sagt, sie sieht etwas ganz anderes.“ Oder „“Ich will nie so werden wie die Frau auf dem Bild.“ oder „Kunst ist doch nur was für Gymnasiasten.“
Die Bildauswahl bezieht neben klassischen Bildwerken, auf die es teilweise überraschende Sichtweisen gibt, auch Darstellungen nichtreligiöser Kunst und moderner Kunst ein. Dabei wird der existentielle Bezug dieser Kunst so erarbeitet, dass der Unterschied zwischen religiöser und weltlicher Kunst nicht mehr greift, sondern eine Tiefendimension sichtbar wird, die für den Religionsunterricht eine Bereicherung darstellt. So lerne ich, bekannte Werke oder Motive aus neuer Sichtweise wahrzunehmen, und wir können uns Kunstwerke erschließen, deren existentieller oder religiöser Gehalt erst auf den zweiten Blick oder manchmal eben auch nicht für mich sichtbar wird. Vielleicht geht das anderen anders.
Nach der Lektüre einzelner Kapitel wird es manchen Leserinnen und Lesern hoffentlich so ergehen wie mir: Man bekommt Lust, eines der Bilder in den Unterricht mitzunehmen und einer der Fragestellungen nachzugehen. Dass man – wie oben angesprochen – mit der bilddidaktischen Erschließung einzelner Kunstwerke in spannende inhaltliche Diskurse der Theologie und der Pädagogik mit hineingenommen wird, macht zusätzlich den Charme dieses nicht belehrenden aber überaus lehrreichen und inspirierenden Arbeitsbuches aus.
Andreas Scheepker